Authors:
Stefan Hanß
Abstract:
Die Seeschlacht von Lepanto, ausgefochten am 07. Oktober 1571 zwischen dem Osmanischen Reich und der ‚Heiligen Liga‘, ist als letzte, große Marineschlacht des Mediterraneums und eine der größten Galeerenschlachten überhaupt bezeichnet worden. Jahrhundertelang thematisierten Personen Lepanto als Sieg eines ‚christlichen Europas‘, um so eigene, ideologische Weltanschauungen zu positionieren. Die Schlacht diente dazu, eine imaginierte Dichotomie zwischen ‚christlichen‘ und ‚muslimischen Kulturen‘ zu demonstrieren. Dieses essent (...)
Die Seeschlacht von Lepanto, ausgefochten am 07. Oktober 1571 zwischen dem Osmanischen Reich und der ‚Heiligen Liga‘, ist als letzte, große Marineschlacht des Mediterraneums und eine der größten Galeerenschlachten überhaupt bezeichnet worden. Jahrhundertelang thematisierten Personen Lepanto als Sieg eines ‚christlichen Europas‘, um so eigene, ideologische Weltanschauungen zu positionieren. Die Schlacht diente dazu, eine imaginierte Dichotomie zwischen ‚christlichen‘ und ‚muslimischen Kulturen‘ zu demonstrieren. Dieses essentialistisch und ahistorisch gedachte Narrativ beeinflusste auch die historiografische Auseinandersetzung mit der Schlacht. Während viele Historiker Lepanto als geschichtliche Zäsur imaginierten, negierten andere deren Status als Ereignis, da die Schlacht historische Strukturen nicht fundamental verändert habe. Insofern Strukturen das Resultat von Praktiken sind, untersuche ich die Ereignisproduktion Lepantos. Anstelle zu fragen, ob die Schlacht ein Ereignis gewesen ist (oder nicht), untersuche ich, wie Zeitgenossen dieses événement humain gestaltet haben, indem sie die Schlacht als Ereignis thematisierten. Im Kontrast zur histoire événementielle bezeichne ich diese Herangehensweise als histoire de l’événement. Ich dezentriere die Geschichte Lepantos durch das revoicing verschwiegener Geschichten. Die Ereignisproduktion Lepantos fand in Bezugnahme auf die Diskurse der Türkengefahr und Türkenfurcht statt, die eine religiöse Dichotomie und kulturelle Überlegenheit proklamierten, die jedoch zugleich dieses Narrativ in den plurireligiösen und multikonfessionellen Kontakten des Alltags unterliefen. Lepanto ist zu einem universalen Ereignis gemacht worden, um darüber partikulare Deutungsansprüche zu artikulieren, wie etwa die Deutung der Schlacht als ein von Gott einer spezifischen Herrschaft verliehenen Sieg. Die Bedeutung Lepantos als glokales Ereignis formierte sich durch die lokal und regionenübergreifend zu situierenden, connected histories weltweit – von London bis Sizilien und Äthiopien, von Japan und Russland zu Persien, den Philippinen, dem Osmanischen Reich, Portugal und Südamerika. Dies war möglich, weil die Symboliken, Medialitäten und Materialitäten der Schlacht eine visuelle, akustische, haptische und imaginative Präsenz der Seeschlacht repräsentierten, die auf Logiken der Inanspruchnahme basierten. Damit wurde Lepanto als Ereignis bedeutsam, weil es Gruppenkulturen prägte und es Akteuren erlaubte, deren soziale Zugehörigkeiten zu verhandeln. Die geschichtliche Repetition solcher Praktiken perpetuierte den Ereignischarakter Lepantos. Historisch betrachtet, war die Seeschlacht von Lepanto kein Ereignis der Abgrenzung und Dichotomie, sondern vielmehr ein solches der Zugehörigkeit und Teilhabe. Was die Seeschlacht von Lepanto historisch bedeutsam machte, war folglich weniger das militärische Geschehnis, als vielmehr das soziale Ereignis.
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